Mit ERP Anforderungen sicher zum Projekterfolg

Was sind gute ERP Anforderungen, mit welchen Herausforderungen sind diese verbunden, welchen Zweck erfüllen sie? ERP Anforderungen sind ein wesentlicher Erfolgsfaktor zum Projekterfolg.

Was ist eine ERP Anforderung?

Eine schwierige Frage zum Start mit vielen möglichen Antworten. Gerne lehne ich mich bei dieser Frage - wie auch bei den nachfolgenden Ausführungen - gerne ab und zu dem Requirements Engineering von Chris Rupp und den SOPHISTen an. Eine Anforderung kann ganz unterschiedlich verstanden und definiert werden. Es gibt viele Wege nach Rom oder eben zur Anforderung. In Anlehnung an IEEE ist eine ERP Anforderung:

  1. eine dokumentierte Fähigkeit eines ERP Systems
  2. eine dokumentierte Bedingung, die das ERP System erfüllen oder besitzen muss um eine Vorgabe zu erfüllen (bspw. aus einer Spezifikation oder einer Norm)

Umgangssprachlich verstehen wir manchmal unter einer Anforderung auch einfach eine Forderung nach Leistung. Doch Anforderungen bestehen auf ganz verschiedenen Ebenen und Detaillierungen. Nachfolgend nehmen wir uns den ERP Anforderungen an, also den Anforderungen an ein ERP System.

ERP Anforderungsmanagement

Das Anforderungsmanagement beschreibt einen möglichen Weg um zu einzelnen ERP Anforderungen zu gelangen. Der Start des Anforderungsmanagements für ein ERP System erfolgt im Unternehmen oft als Grundlage für:

  • eine ERP Beschaffung,
  • eine (umfangreichere) ERP Erweiterung,
  • einen ERP Release,
  • eine Systemintegration oder
  • den Betrieb und die Wartung.

Mit dem Anforderungsmanagement können ERP Anforderungen ermittelt, dokumentiert, geprüft und abgestimmt werden.

Mit ERP Anforderungen Verbindlichkeiten schaffen

ERP Anforderungen sollten wir von Anfang an nach "rechtlicher" Verbindlichkeit einordnen. Dies bedeutet, dass wir uns pro ERP Anforderung Gedanken machen, ob diese eher ein Wunsch, eine Absicht oder eine Pflicht sein soll. Dabei werden oft die Schlüsselwörter shall (engl. für muss), should (engl. für sollte) und will (engl. für wird) eingesetzt. Unsere Erfahrung zeigt, dass auch ein viertes Schlüsselwort sinnvolll ist "nicht". Mit verbindlichen ERP Anforderungen reduzieren wir Risiken wie:

  • unklare Ziele
  • unnötige und/oder teure Merkmale
  • unreflektierte Erwartungshaltungen und Ansprüche
  • schlechte Qualität

Vorgehen zur Erstellung von ERP Anforderungen

Das geeignete Vorgehen zur Ermittlung, Dokumentation, Prüfung und Abstimmung der ERP Anforderungen unterscheidet sich stark und ist unter Berücksichtigung von einigen Punkten zu wählen. Die Wahl des Vorgehens hat direkten Einfluss auf das ERP Projekt und Ihre Unternehmung. Es lohnen sich am Anfang Überlegungen wie "welche Anforderungen benötigen wir und wie ermitteln wir diese?". Beim Vorgehen ist darauf zu achten, dass die aktuellen Probleme und die zukünftige Lösung getrennt beachtet werden. Den in der Regel sind die Probleme längere Zeit vorhanden und es bestehen verschiedene Lösungen (mindestens Lösungsansätze) dazu. Die ERP Anforderungen sollen jedoch immer vom "Groben" ins "Feine" formuliert werden. Die fortschreitende Verfeinerung und Präzisierung führt zu einer Qualitätssteigerung der ERP Anforderungen. Aus meiner Sicht die wichtigsten Elemente zur Wahl des Vorgehens:

  • Lebendigkeit - führen Sie einen regen und intensiven Austausch zu den ERP Anforderungen
  • Involvieren Sie alle Projektbeteiligten und sorgen Sie damit für eine nachhaltige Akzeptanz
  • Betrachten Sie alle Beiträge als Chance und nicht als mühsamen Aufwand

ERP Anforderungen ermitteln

Sie kennen die Aussage: "zeig mir wie das Projekt startet und ich sage Dir wie es endet"? Deshalb starten wir mit einem der wichtigsten Ausgangspunkte, den möglichen Anforderungsquellen. Dies sind insbesondere die aktuell eingesetzten ERP Systeme, Tools und Applikationen, Dokumente und natürlich die Stakeholder. Welche dieser Ausgangspunkte Sie wie intensiv berücksichtigen hängt stark von Ihrer Unternehmenskultur und den Rahmenbedingungen ab. Wir stellen in der Beratungspraxis fest, dass dabei alle erdenklichen Kombinationen und Vorstellungen in Erscheinung treten. Ich möchte an dieser Stelle aber nicht auf die Stakeholderanalyse, die Team- und Entscheidungsprozesse, die Unternehmenskultur und den Ressourceneinsatz zu sprechen kommen, resp. diese Faktoren nicht weiter ausführen. Lassen Sie uns die Ermittlung der Anforderungen genauer betrachten. Die ERP Anforderungen müssen insbesondere realisierbar, sinnvoll, konsistent, positiv und lösungsneutral sein:

  1. Definieren Sie die Methodik / die Methodiken zur Ermittlung der ERP Anforderungen auf der Grundlage Ihrer Erfahrungen, Ihrer Unternehmenskultur und so breit abgestützt wie sinnvoll
  2. Investieren Sie in die Qualität der ERP Anforderungen, verfeinern Sie diese forlaufend
  3. Sind Sie sich stets bewusst, dass die Anforderungen an ein ERP System von Menschen formuliert werden (und somit "Absichten" in die Formulierungen einfliessen)

Das SOPHISTEN-REgelwerk hilft beim Punkt 3 ungemein. Prüfen Sie die Satzbestandteile:

  • Formulieren Sie jede ERP Anforderung aktiv. Wer soll den Prozess ausführen (das ERP System, ein Drittsystem oder bedingt es eine Benutzerinteraktion)?
  • Formulieren Sie konkret, vermeiden Sie Worte wie "umfassend", "prüfen", "verwalten", "schnell", performant", "intuitiv", "gering", "einfach", "alle", "jeder/jede", "immer", ... und formulieren Sie für jede Eigenschaft, jede Menge und jedes Prozesswort genau eine (1) ERP Anforderung
  • Stellen Sie die W-Fragen: "wie oft, wann, unter welchen Bedingungen, was wird ausgeführt?" und ergänzen Sie die ERP Anforderung mit den fehlenden Informationen
  • Verzichten Sie auf Floskeln, unbedeutende Informationen, Redundanzen und analysieren Sie Annahmen wie "falls", "nachdem", "sobald", "wenn"

ERP Anforderungen formulieren

Einmal formulierte Anforderungen zu überprüfen ist mit einem hohen Zeitbedarf verbunden. Aus diesem Grunde sowie zur Erhöhung der Verbindlichkeit und Qualität soll der Einsatz einer Satzschablone geprüft werden. Eine Satzschablone ist wie ein Plan, welcher die Struktur jeder einzelnen ERP Anforderung definiert.

 

 

 

 

 

 

 

Schritt für Schritt zur ERP Anforderung:

  1. Entscheiden Sie sich, wie wichtig Ihnen diese Anforderung ist. Dazu wird eines der vorgängig unter Verbindlichkeiten aufgeführtes Wort (muss, sollte, wird und evtl. nicht) eingesetzt
  2. Anschliessend identifizieren Sie die geforderte Fähigkeit / Funktionalität / Bedingung. Diese steht natürlich im Fokus der ERP Anforderungen. In der Abbildung steht dazu "Prozesswort". Prozesswörter sind bspw. speichern (für sammeln, aufbewahren), auswählen (für selektieren, markieren), anzeigen (für darstellen, ausgeben) oder einfügen (für eingeben, einsetzen). Dieser Schritt ist wahrscheinlich der schwierigste für Neueinsteiger. Wir empfehlen daher eine Liste zu erstellen, in welcher alle zum Einsatz kommenden Prozesswörter dokumentiert und kurz beschrieben werden
  3. Hierbei legen Sie fest, wie die Aktivität zu erfolgen hat. Dazu stehen drei (3) Aktivitätsarten zur Verfügung: a) "- "bedeutet, dass das ERP System den Prozess selbständig durchführt; b) "wem" - bedeutet, dass das ERP System dem Nutzer eine Interaktionsmöglichkeit zur Verfügung stellt; c) "fähig sein" - bedeutet, dass das ERP System einen Prozess in Abhängigkeit von einem externen Element - in der Regel in der Form eines Drittsystems und über eine Schnittstelle - ausführt
  4. Im vierten Schritt vervollständigen Sie die ERP Anforderung mit weiteren Bestandteilen. Was und wo Fragen unterstützen dabei die Identifikation des Objekts und dessen Ergänzungen

ERP Anforderungen dokumentieren

In aller Regel sind die ERP Anforderungen zu dokumentieren. Dazu stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Oft bestehen dazu in Unternehmen auch Vorlagen und Richtlinien oder es werden sogar Softwaretools eingesetzt. Auch hierzu möchte ich nicht zu viel dazu ausführen und beschränke mich auf die Einsicht, dass schlussendlich nur die Dokumentation sicherstellen kann, dass Wissen, Können und die ERP Anforderungen aus den Köpfen der involvierten Stakeholder auf das Papier gebracht werden kann. Dies gilt, ob Sie sich beschränken die wichtigsten Geschäftsprozesse zu dokumentieren oder weitere Elemente einsetzen. Gem. Hermes (https://www.hermes.admin.ch) sollten in den Beschaffungsunterlagen die folgenden Inhalte dokumentiert werden:

  • Ausgangslage, Grund der ERP Beschaffung, ERP Beschaffungsgegenstände
  • Beschreibung der Situation, inkl. der Geschäftsorganisation, den Stärken und Schwächen, den Mengen und Häufigkeiten. Dazu empfehlen wir einen Systemkontext mit klaren Abgrenzungen was nicht Bestandteil der Beschaffung ist
  • SOLL Zustand mit Zielen und mit ERP Anforderungen wie in diesem Beitrag ausgeführt
  • Termine, Administratives, Kriterien und Anhänge wie bspw. AGB oder ein Vertragsentwurf

Mit ermittelten, dokumentierten, geprüften und abgestimmten ERP Anforderungen haben Sie es in der Hand, einen wesentlichen Beitrag zum ERP Projekterfolg zu leisten.

Dies ist ein Beitrag der acreo consulting ag. #acreo.ch berät Unternehmen unabhängig in den Bereichen Digitalisierung, Organisation und Business Software. Die Projektleiter und Consultants der #acreo unterstützen Sie gerne in der Erarbeitung mit der Erfahrung von weit über 100'000 selbst erstellten ERP Anforderungen.