Software Evaluation

Welche Wege führen zu einer neuen, passenden Software? Was ist auf dem Weg der Evaluation zu beachten? Welche Grundlagen und Entscheidungen sind notwendig, welche empfohlen? Wie viele Ressourcen sind vorzusehen?

Dieser Beitrag ist keine Auflistung von Tipps zur Software Evaluation, beinhaltet keine Checklisten, keine fixfertigen Rezepte und empfiehlt keine Software. Der Artikel basiert auf jahrelanger Erfahrung und möchte einige Aspekte der Software Evaluation neutral und aus verschiedenen Perspektiven beleuchten.

Welche Wege führen zu einer neuen, passenden Software?

Viele. Doch welcher ist der Beste? Mit dieser zentralen Frage beschäftigen wir uns bei acreo consulting ag sehr intensiv und seit vielen Jahren. Vielleicht sind es mit dieser Erfahrung nicht mehr "viele", sondern nur noch "einige" Wege. Erfolgsversprechend sind mit grösserer Wahrscheinlichkeit Kombinationen, welche die IST Situation, die SOLL Zielsetzungen, die Anforderungen, das Budget, die personellen Ressourcen und ein dazu geeignetes Vorgehen berücksichtigen. Wie diese Wege unter Berücksichtigung dieser Aspekte exakt gestaltet werden, ist wahrscheinlich weniger entscheidend. Oft werden für diese Wege genau eine (1) Methode als die richtig gute und vielleicht sogar einzig mögliche dargestellt. Dabei fallen dann Begriffe wie agiles Projektmanagement, Wasserfall,  Hermes, Kanban, Scrum, Lean, Rapid Prototyping, Prince (als prozessorientierte Projektmethode). Welches Vorgehen ist nun das Beste? Sie ahnen sicherlich die Ansicht des Autors - aber lassen Sie uns zuerst noch ein paar weitere Fragen beantworten.

Was ist auf dem Weg der Evaluation zu beachten?

Diese Fragestellung kann wiederum unterschiedliche Modelle hervorrufen. Vielleicht können wir diese Frage auch mit Erläuterungen zum Eisbergmodell angehen. Weshalb? Ich habe schon (einige) Projekte erlebt, welche eine hervorragende Planung hatten, einen korrekt und umfassend formulierten Projektauftrag, eine von der obersten Leistung abgesegnete Organisation, externe Fachunterstützung, Projektziele in den Jahreszielen dokumentiert, umfangreiche Lastenhefte, detaillierte Prozessbeschreibungen, … und trotzdem würde ich diese nicht als erfolgreiche Projekte bezeichnen. Denn wie beim Eisbergmodell, machten diese Aspekte einen kleineren Teil des Projekts aus, sagen wir mal ca. 20%.  Stimmungen, Vorstellungen, Gefühle, Wertvorstellungen, Differenzen zwischen informellen und formellen Entscheidungsprozessen, Information und Kommunikation, Machtspiele, unklare Aussagen der Projektleitung, unabgestimmte Änderungen und Anpassungen. Die anderen ca. 80% entschieden über den Erfolg. So sind wir bei der Suche nach Antworten zur Frage "was ist auf dem Weg der Evaluation" zu beachten, doch schon einen wesentlichen Schritt vorwärts gekommen. Die Balance der zu berücksichtigenden, messbaren und auch nicht-messbaren Aspekte ist auf dem Weg der Evaluation zu beachten. Dies gelingt insbesondere erfahrenen Projekt- und Evaluationsexperten. Dieser Aspekt ist bedeutend wichtiger, als die unter der ersten Frage beleuchteten Punkte. Auch lohnt es sich, in die Anfangsphase, die Abstimmungen, den Systemkontext sowie die Entscheidungs- und Kommunikationswege zu investieren.

Welche Grundlagen und Entscheidungen sind notwendig, welche empfohlen?

Ich habe es mir angewöhnt, aus diesen Punkten keine Wahrsagerei, keinen Hokuspokus und keine hochstehenden, fachtechnischen Argumente ins Feld zu führen. Oder anders gesagt, ich versuche es einfach, verständlich, klar und messbar zu halten. Wenn ich etwas nicht verstehe, dann frage ich nach. Wenn es uns gelingt, die Grundlagen gemeinsam so zu bezeichnen, dass wir gemeinsam dasselbe darunter verstehen und sich daraus bewusste Entscheidungen ergeben, dann kommt es wahrscheinlich gut. Interessanterweise werden in Software Evaluationen selten über Methoden zur Entscheidungsfindung oder deren Vorbereitung gesprochen. Wie erarbeiten wir gemeinsame Entscheidungsgrundlagen welche von IT Spezialisten genauso verstanden werden wie von den Fachverantwortlichen, den Prozessbeteiligten und den Führungskräften? Wahrscheinlich lohnt es sich hier, sich genauso (wie bei der ersten Frage) bewusst mit dem für die Software Evaluation passenden Vorgehen auseinanderzusetzen. Visualisieren, konstruieren, testen, spielen, skizzieren, zeichnen, modellieren, … ja - jetzt kommt es gut.

Wie viele Ressourcen sind vorzusehen?

Natürlich wünscht sich jede und jeder einen verlässlichen Plan bevor die Software Evaluation startet. Zu diesem Plan gehört selbstverständlich auch eine Schätzung zum Bedarf an personellen Ressourcen. Und dieser Bedarf ist gar nicht so schwierig zu kalkulieren, wenn wir sozusagen "retour" rechnen. Was meine ich mit Retourrechnen? Wenn wir die Schlüsselpersonen und -Rollen definiert haben, dann können wir deren möglichen, zeitlichen Einsatz über die vorgesehene Evaluationszeit planen. Wie viele Ressourcen können diese Personen in die Evaluation investieren? Dabei erkennen wir von Anfang an die Engpässe, die Motivation und natürlich den Willen, der Software Evaluation die notwendige Priorität zukommen zu lassen. Im nächsten Schritt geht es darum, die bestehenden Ressourcenlücken zu füllen. Dabei kann entweder die Evaluationszeit verlängert oder weitere Unterstützung und Mitwirkung beigezogen werden. Auf jeden Fall empfiehlt es sich, die Fäden der Software Evaluation in den eigenen Händen zu behalten. Denn wie wir bereits bei der letzten Frage erkannt haben, benötigen die Entscheidungsträgerinnen und Träger die richtigen Grundlagen, welche auch verstanden werden. Dies funktioniert leider sehr selten, indem wir einfach einmal im Monat einen Jour-Fix oder alle paar Wochen eine GL- oder Evaluationsausschuss- Besprechung auf der Basis richtig schöner Power Point Folien durchführen. Natürlich sollte uns bewusst sein, dass dies alles nur ein Plan ist und die Realität davon abweichen darf. Oft auch abweichen wird.

Eine kleine Reise durch die Welt der Software Evaluation.

Zusammenfassend möchte ich gerne festhalten, dass die Führung und die Entscheidungen während der Phase der Software Evaluation wichtiger sind als die eingesetzten Methoden. Dass die Motivation und der passende Ressourceneinsatz mehr zum Erfolg beitragen als ein schriftlicher Projektauftrag mit schönen Planwerten. Lassen wir uns nicht von undurchschaubaren Weisheiten, komplexen Tools, ausgereiften Evaluationsmaschinen täuschen, eine Software Evaluation wird von Menschen mit Menschen durchgeführt. Wenn es uns gelingt, einander zuzuhören, unsere Anliegen anschaulich mitzuteilen, gemeinsame Entscheidungsgrundlagen zu erarbeiten und eine transparente, ehrliche Kommunikation zu führen - dann wird die Software Evaluation ein Erfolg. Und mit den im Beitrag erwähnten Punkten wird es UNSER ERFOLG und somit eine sehr gute Grundlage für die nachfolgenden und mindestens so anspruchsvollen Schritte zur Software Einführung. Dazu aber ein anderes Mal mehr dazu.